Smartphones sind in der Schultüte angekommen

„Frau Lehrerin, warum sind Sie eigentlich nicht in unserer WhatsApp-Gruppe?“ Keine fiktive Frage, sondern eine, die LehrerInnen aktuell im Unterricht begegnet. Wie LehrerInnen Teil des digitalen Alltags ihrer SchülerInnen sein können und sollten, das hat Medienberater Johannes Wentzel nun an der Universität Siegen beantwortet. Im Rahmen der Reihe „Fokus Lehrerbildung“ hat Wentzel vor Lehramts-Studierenden zum Umgang mit der digitalen Lebenswelt von Jugendlichen referiert. „Smartphones sind heute schon in der Schultüte angekommen“, sagt Wentzel. Rund ein Fünftel der Fünftklässler sei heute bei Facebook unterwegs, umso mehr bei Portalen wie Youtube, Instagram oder Snapchat. Er sehe LehrerInnen zwar nicht in der Pflicht, 24 Stunden online zu sein und ihre Privatsphäre zu opfern. Andererseits, wenn die Lehrkraft gar nicht in der digitalen Welt der SchülerInnen anwesend ist, erfahre sie von Gefahren wie Cybermobbing oder Sexting spät oder gar nicht. Eine mögliche Lösung des Dilemmas: „Beide Seiten müssen frühzeitig die nötige Medienkompetenz aufbauen“, sagt Ulf Krippendorf vom Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung (ZLB) an der Universität Siegen. Krippendorf organisiert Weiterqualifizierungsangebote für Lehramts-Studierende und hat Wentzel zum Vortrag in die Lernwerkstatt Lehrerbildung eingeladen. Schon in der Grundschule, so Krippendorf, sollten sich LehrerInnen Konzepte überlegen, wie sie Nutzen und Gefahren der digitalen Welt fächerübergreifend in den Unterricht einbinden wollen. SchülerInnen sollten zum Beispiel lernen, wie sie Suchmaschinen wie Google effizient nutzen, aber auch ein Bewusstsein für mögliche Gefahren entwickeln, wenn sie private Bilder oder Videos in sozialen Netzwerken teilen. „Um dem Gruppenzwang von WhatsApp oder anderen Sozialen Medien zu entgehen, könnten Schulen auch ein eigenes soziales Netzwerk mit entsprechenden Funktionalitäten für alle Schulmitglieder aufbauen, um Rechtssicherheit und Datenschutz zu gewährleisten und die Schulgemeinschaft zu stärken“, schlägt Krippendorf vor. Gleichzeitig könnten über diese Plattformen auch E-Learning-Angebote organisiert werden. Es gebe bereits Modellschulen, die diesen Ansatz verfolgen. Medienberater Johannes Wentzel hatte nicht nur einen Appell an die angehenden LehrerInnen, sondern auch an die Eltern: „Die Medienerziehung darf nicht erst in der Schule starten. Eltern müssen besonders auf die Offline-Zeit ihrer Kinder achten. Die Kinder lernen die nicht-mediale Zeit schätzen.“ Der Referent wünscht sich eine ausgeprägte Debatte in Schulen und einen Austausch mit den Eltern. „Das kommt leider kaum vor“, betonte er, „es bedarf eines Diskurs, der über den Datenschutz hinausgeht. Viele Eltern, aber auch Lehrer bekommen nichts, oder wenig davon mit, was Kinder im Internet machen.“

Der Vortrag zu „Digitalen Lebenswelten von Jugendlichen im schulischen Alltag“ ist Teil der Reihe „Fokus Lehrerbildung“ und entstand durch die Zusammenarbeit zwischen dem Sonderforschungsbereich „Medien der Kooperation“, der OASE Lernwerkstatt und dem Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung an der Universität Siegen. Der Medienberater Johannes Wentzel war zum zweiten Mal in diesem Jahr an der Siegener Uni: Auf Einladung von Prof. Dr. Jutta Wiesemann referierte er im Juni bereits in der OASE Lernwerkstatt über Medien in Vorschule und Grundschule.

Mehr zum Thema „Frühe Kindheit und Smartphone“

Prof. Dr. Jutta Wiesemann, Mitglied des Sonderforschungsbereichs (SFB) „Medien der Kooperation“ forscht zur Mediensozialisation von Kindern im Vorschulalter. Im SFB-Teilprojekt „Frühe Kindheit und Smartphone“ untersucht Wiesemann die Medienpraktiken von Vorschulkindern und welche tiefgreifenden Veränderungen in den elementaren Kommunikations-, Sozialisations- und Lernprozessen durch die neuen Medien erfolgen.

Schreibe einen Kommentar